Im Sommer 1943 orientierten die Rüstungsexperten des Reiches sich darauf, mit einigen wenigen, qualitativ überlegenen neuen Waffen den allgemeinen Rückstand in der Kriegstechnik einzuholen. Nun wurde die Entwicklung der Ferngeschosse und Raketen verstärkt gefördert. Am 25. Juli 1943 unterzeichnete Hitler einen Erlaß über die beschleunigte Förderung des Programms A4. Der Chef der Amtsgruppe C im SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt, SS-Brigadeführer Dr. Kammler, wurde zum “Sonderbeauftragten für Baufragen der A4-Fertigung" eingesetzt. Hitler war bestrebt, auf drängen Himmlers, in stärkerem Maße die SS in die Verwirklichung des A4-Programms mit einzubeziehen. Unter der Regie der SS zwang man bereits in Peenemünde Häftlinge auf unmensch - liche Art und Weise zum Aufbau der Produktionsstätten und zur Produktion dieser Waffe. Die Hilfe der SS sicherte der Rüstungsindustrie tausende von KZ-Häftlingen als Arbeitskräfte. Die SS verfügte zu diesem Zeitpunkt über fast zehnjährige Erfahrungen mit Konzentrationslagern.
Daß die SS in diesem Bereich zum Werkzeug der Monopole wurde, kommt auch bei der “Mittelwerk GmbH" deutlich zum Ausdruck. Im Handelsregister beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg findet man unter der Nummer 93 HRB9645 vom 24. September 1943 die amtliche Eintragung “Mittelwerk GmbH", Sitz Berlin, mit einem Gründungskapital von einer Million Reichsmark.
In der Gesellschafterspalte erscheinen folgende Namen:
Regierungsbaumeister a. D. Kaufmann
Dr.-Ing. Kurt Kettler, Berlin
SS-Sturmbannführer Otto Förschner
Wehrwirtschaftsführer Direktor Otto Bersch
Dipl.-Ing. Georg Rickhey.
Die Gründung dieser Firma wurde vom “Amt für Wirtschaft und Finanzen des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion" angewiesen und von der nachgeordneten Rüstungs-Kontor-GmbH finanziert. Leiter des Amtes war der SS-Hauptsturmführer Prof. Dr. Karl-Maria Hettlage.
Die beschleunigte Entwicklung, Erprobung und Produktion der A4 und Fi 103 wurde durch großangelegte Angriffe der britischen und amerikanischen Luftwaffe empfindlich gestört. In der Nacht vom 17. zum 18. August 1943 flogen 571 englische Bomber einen vernichtenden Angriff auf Peenemünde, zerstörten Entwicklungs- und Produktionsanlagen sowie die Wohnsiedlung, in der über 800 Menschen den Tod fanden.
In dieser Situation beschlossen die Verantwortlichen für das Raketenbauprogramm, die Produktionsstätten nicht wieder in Peenemünde zu errichten, sondern sie in unterirdische Anlagen zu verlagern.
Der Kohnstein, unweit von Nordhausen, bot sich für diese Zwecke an. Er war bereits im Zuge der Kriegsvorbereitungen in den Blickpunkt der Monopole geraten. Hier hatte die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH (Wifo) begonnen, unterirdische Lagerräume zu errichten. Die Wifo war ein in der Aufrüstungsperiode gegründetes staatliches Unternehmen mit der Aufgabe, strategische Tanklager zu bauen und zu betreiben. In den Orten, in denen die Gesellschaft Projekte in Angriff nahm, gründete sie Außenstellen, u. a. in Niedersachswerfen.
Die Bedingungen für die Anlegung eines zentralen bombensicheren Kraftstofflagers waren im Kohnstein äußerst günstig. Nicht nur die geologischen und verkehrstechnischen Voraussetzungen waren zufriedenstellend, auch die finanziellen Belastungen hielten sich im Rahmen.
Laut Bauplan waren zwei parallel laufende Tunnel auszuführen, die eine Länge von 1 800 m erreichen sollten. Die beiden Tunnel (Fahrstollen A und B) sollten durch 50 Stollen von je 150 bis 200 m Länge miteinander verbunden werden. Der Ausbau war in drei Abschnitten vorgesehen und sollte sich von 1936 bis 1943 vollziehen.Jedoch war der Ausbau bis 1943 nicht vollendet.
Nach der Zerstörung der Heeresversuchsanstalt Peenemünde wurden die begonnenen Vorarbeiten genutzt, um in einem mörderischen Tempo den Aus- und Erweiterungsbau zur Installation einer unterirdischen Rüstungsfabrik vorzunehmen.
Der geschichtliche Hintergrund