Die Großzügigkeit der Peenemünder Anlagen kam auch durch den Bau einer Siedlung für die Mitarbeiter und deren Familienangehörige zum Ausdruck. Im Endzustand waren auf einem Areal von etwa 1,5 km Länge und einer Breite von l,2 km Mehr- und Einfamilienhäuser errichtet worden. Im Laufe des Jahres 1941 konnte der Aufbau der Siedlung als abgeschlossen betrachtet werden.
Bei der Planung der Siedlung, die Dipl.-Ing. Fritz Pötschke unter Leitung von Dipl.-Ing- Hans Simon entworfen und ausgeführt hatte, bemühte sich die Bauleitung Eintönigkeit sowohl in der Anordnung als auch in der Ausführung der Häuser zu vermeiden. Die Gebäude mit ihren hohen, spitzgiebligen Dächern und Mansardenfenstern waren, wie damals bei den Luftwaffenbauten üblich, in formschönen und ausgewogenen Proportionen erstellt.
An den öffentlichen Bauten wurden darüber hinaus durch Fassaden- und Eingangsverkleidungen mit Sandsteinornamenten schöne und ansprechende Blickpunkte geschaffen. Die Mehrfamilienhäuser waren vielfach mit Vorgärten ausgestattet und beherbergten oft zwei Parteien, jeweils eine im Erdgeschoß und die zweite in der Mansarde. Jedoch gab es auch viele einstöckige Wohngebäude.
Der Siedlungskern konnte schon im Jahre 1938 fertiggestellt werden. Man betrat das Wohngelände, von dem in der Nähe gelegenen Werkbahnhof »Siedlung« kommend, durch zwei, etwa 30 m voneinander entfernt stehende rechtwinklige Gebäude, wobei der längere Flügel jeweils nach Osten in die Siedlung hineinwies. Diese beiden Gebäudeflügel flankierten den »Bahnhofsplatz«. Die beiden kürzeren Schenkel verliefen parallel zur Werkbahn. Im Seitenflügel des rechten Gebäudes war das gern besuchte Gasthaus »Schwedenkrug« untergebracht. Im linken Gebäude befanden sich die Post, Bahnbetriebs- und Schalterräume der Werkbahn sowie öffentliche Telefonzellen.
Wer den Bahnhofsvorplatz in Richtung Siedlung durchschritt, stand vor einem im Mittelstück als wuchtiges Tor ausgeführten und verkleideten Gebäude, das als »Brandenburger Tor« bekannt war und eine Fahrzeugdurchfahrt in der Mitte besaß. Links und rechts davon führte je ein Fußgängerdurchgang in die Siedlung hinein.
Vor dem Tor verliefen vom Vorplatz weg, parallel zur Werkbahn nach Süden, die »Von-Richthofen-Straße« und nach Norden die »Bahnhofstraße«. Nach je-weils etwa 280 m bogen beide Straßen im rechten Winkel nach Osten und zum Strand hin ab. Diese beiden Straßen hatten eine Länge von jeweils etwa 300 m und umschlossen das 1938 bebaute Gelände des Siedlungskernes. Die nördliche Umfassungsstraße war die »Waldstraße« und die südliche der »Fichtengrund«.
Durchschritt man das mittlere Tor, begrenzten rechts und links einstöckige Gebäudeflügel mit Mansarde den Beginn der breiten »Hindenburgstraße«. Sie erweiterte sich auf fast 50 m dadurch, daß die Häuser der südlichen Straßenseite in leichtem Bogen nach Süden zurückwichen. Wenn man wollte, konnte diese Straße als Hauptstraße der Siedlung angesehen werden. Entgegen der vielfach gemischten Bebauung der anderen Siedlungsteile, standen hier links und rechts ausnahmslos einstöckige Häuser mit hochgiebeligen Mansardendächern.
Während die südlichen Gebäude mit ihrer Giebelseite senkrecht zur Straße standen, verliefen die Häuser auf der nördlichen Seite parallel zu ihr, wobei die Front der Häuser durch jeweiliges Zurücksetzen und Wieder vorspringen aufgelockert wurde. Diese Gebäude waren Geschäftshäuser mit Bäckerei und Cafe, Fleischereibetrieb, Milchgeschäft, Lebensmittelgeschäft, Friseursalons, Buchladen und Wohnungen der Geschäftsinhaber. Es waren verputzte Ziegelbauten mit Sandsteinsockel und Kolonnaden vor den Schaufenstern. Geschäftsstellen von Organisationen und Räume zur beruflichen Weiterbildung der Siedlungsbewohner waren hier ebenfalls vorhanden.
Gleich hinter der Durchfahrt des Brandenburger Tores gabelte sich die Fahrbahn zur südlichen Straßenseite hin, an den Giebeln der schon erwähnten Gebäude vorbeiführend, um sich am Ende der Straße wieder mit dem gerade nach Osten verlaufenden Teil zu vereinigen. In dem zwischen beiden Fahrbahnen entstandenen Geländestreifen war eine Grünanlage angelegt. Nach 230 m verengte sich die Straße durch Heranrücken der nördlichen Gebäude auf 20 m. Nach etwa weiteren 40 m in östlicher Richtung reichte von der rechten Seite her die Schule mit der Giebelseite bis zur Straße heran, während links das rechtwinkelige Gebäude der geplanten Badeanstalt stand, in dessen Räumen aber Geschäfte untergebracht wurden. Parallel zur Schule mit zwölf Klassen, Zeichensaal, Werk- und Festraum bildeten etliche, beiderseits stehende Wohnhäuser die nach Süden verlaufende »Schulstraße«, die sich mit der schon beschriebenen südlichen Umfassungsstraße im rechten Winkel traf. Gegenüber der Schule war ein Gemeinschaftshaus geplant, das aus zwei rechtwinkeligen Gebäudeteilen bestehen sollte. Badeanstalt, Schule sowie das geplante Gemeinschaftshaus umschlossen den »Marktplatz«. Über die Ausführung des letzteren Gebäudes gab es noch ein Gespräch zwischen RM Albert Speer und dem seinerzeitigen Bauleiter Johannes Müller, zur Bauausführung kam es aber nicht mehr. Von der nordöstlichen Ecke des Platzes zweigte nach Norden die »Dünenstraße« ab, die 1943 in »Horst-Wessel-Straße« umbenannt wurde und sich mit der ebenfalls schon erwähnten nördlichen Umfassungsstraße in einem rechten Winkel vereinte.
Die östliche Seite des Marktplatzes war Ausgangspunkt eines breiten, schnurgeraden Fußweges, der »Strandpromenade«, die über einige Stufen erreichbar war, durch das Dünengelände führte nach etwa 270 m in einer großen Freitreppe am Ostseestrand endete. Auf der südlichen Seite dieses Weges wurde Anfang 1939 gleich hinter den Dünen - parallel zum Ostseestrand auf etwa 350 m Länge nach Süden, als weitere Ausbaustufe der Siedlung - im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Einfamilienhäusern errichtet. Dort anschließend, bis an die vorhandenen Häuser der Strandkolonie Karlshagen, waren zur gleichen Zeit, teilweise im Wald liegend, schöne, einstöckige Unterkünfte für weibliche Arbeitskräfte und KHD-Mädchen erstellt worden.
In den Jahren 1939/40 wurde das westlich von den eben erwähnten Baulichkeiten liegende Gelände ebenfalls bebaut und in die Siedlung mit einbezogen, womit u.a.auch der »Boelcke-Ring« entstand. Zum Norden hin erfolgte keine Erweiterung der Siedlung über ihr Zentrum hinaus, da sich hier später das Werk Süd der Heeresversuchsstelle anschloß.
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linke Seite: Aufmarsch Hitlerjugend zum Sportfest 1941
unten: die Siedlung heute
Das Brandenburger (Berliner) Tor, ehemals der Eingang zur Siedlung
Heute entsteht auf dem ehemaligen Siedlungsgelände eine neue Feriensiedlung mit schmucken Eigentumshäusern.
Im Jahre 1940 bebaute man noch die Lücken zwischen dem näher beschriebenen Siedlungskern und dem Strand beiderseits des Fußweges. Dabei setzten Anordnung und Gestaltung der Wohnhäuser wieder vielseitige Abwechslungsakzente. Besonders im Nordosten der Siedlung, dem letzten Bauabschnitt, stellten vorwiegend halbkreisförmig um Grünanlagen errichtete Wohnhäuser wieder eine Aullockerung und Gestaltungsvariante der Siedlung dar. Bemerkenswert ist noch ein großer Sportplatz im südlichen Siedlungskern. Auskünfte von Bewohnern besagten, daß in der Siedlung eine angenehme Wohnatmosphäre geherrscht hat, die durch die einmalige Lage am Ostseestrand ihre besondere Note erhielt